CFP: Nationale Identität im urbanen Raum des Terzo Millennio (Berlin, 7 – 9 April 2016)

Nationale Identität im urbanen Raum des Terzo Millennio
Forum Kunstgeschichte Italiens, Berlin, 7 – 9 April 2016
Deadline for abstracts: September 22, 2015
Nach mehreren Jahrzehnten der städtebaulichen Zurückhaltung macht das Italien des 21. Jahrhunderts gleich durch mehrere urbanistische Großprojekte von sich reden, die tiefe Eingriffe in die traditionsverhaftete Kultur wie in den historischen Stadtraum italienischer Metropolen bedeuten. Die Planung des neuen Hochgeschwindigkeitsnetzes „Direttissima“ umfasst den Neubau von nicht weniger als sieben neuen Bahnhöfen unter anderem in Neapel, Florenz, Rom und Turin. Die italienische Metropole Mailand avancierte anlässlich der Expo 2015 zum Schauplatz eines der größten multifunktionalen Urbanisierungsprojekte Europas, indem ihre weitläufigen ehemaligen Industrieareale sowie das einstige Messegelände grundlegenden Umstrukturierungen unterworfen wurden. Auch die Diözese Rom tritt anlässlich des Heiligen Jahres als Initiator eines ambitionierten Bauprogramms in Erscheinung, in dessen Rahmen den Außenbezirken der Stadt Kirchen von hoher architektonischer Qualität gestiftet werden.
Internationale Wettbewerbe mit hochkarätig besetzten Jurys und global agierenden Architekturbüros verhelfen den Projekten und den in ihrem Kontext geschaffenen Neubauten zu internationaler Anerkennung – gleichzeitig zeigen die ausgeführten Projekte erstaunliche Rückbezüge auf die nationale oder sogar lokale italienische (Kunst-) Geschichte.
Beispielhaft für die Vergegenwärtigung von Geschichte im Kontext moderner Architektur und Kunst am Bau ist die, anlässlich ihrer Eröffnung für ihre außergewöhnliche Innovativität gerühmte, Stazione Tiburtina, deren über 20 m hohe Inschriftentafel im Eingangsbereich eine Rede des Grafen Cavour zu der Integration Roms in das geeinte Italien zitiert. Durch die eindrucksvolle Inszenierung der Worte des Vordenkers der Italienischen Einheit avancierte der von Paolo Desideri nach modernsten internationalen Standards entworfene Hochgeschwindigkeitsbahnhof gleichermaßen zum Gedächtnisort nationaler Geschichte wie zum Sinnbild eines modernen Italiens. Mit einer ähnlichen Motivation ließ die Stadt Neapel im Rahmen des Projekts “Stazioni dell’arte” jede der neun von dem französischen Architekten Dominique Perrault entworfenen U-Bahn-Stationen von renommierten Künstlern gestalten. Mittels verschiedener Strategien, etwa durch die Ausstellung von Abgüssen weltbekannter Skulpturen aus den neapolitanischen Sammlungen oder einer Installation mit drei Fiat 500 des neapolitanischen Künstlerduos Perino & Vele erfährt das vorwiegend ökologisch-infrastrukturell motivierte Projekt auf der Objektebene eine nationale Besetzung. Durch die kulturelle Symbolwirkung der Gestaltung gelingt eine lokalspezifische Konnotation, die überregional wie international als „italienisch“ verstanden werden kann.
Die städtebaulichen und infrastrukturellen Maßnahmen sind ein Versuch, die historisch bedingte Valenz der italienischen Großstädte um beispielhafte strukturelle, ökonomische und technische Lösungen zu erweitern und damit auf globaler Ebene anschlussfähig zu machen. In Abhängigkeit geeigneter Integrationsmechanismen sind diese Architekturen durch ihre Öffentlichkeitswirksamkeit und durch ihre nutzungsbedingt hohe mediale Präsenz als Folien nationaler Imagebildung geradezu prädestiniert.
Anschließend an jüngste Forschungen der Architekturgeschichte, die sich der Funktionalität von Identität im Kontext von Erinnerungskulturen gewidmet hat, will die Sektion den meist historisch fundierten Diskurs um das identitätsstiftende Potenzial von Architektur und Kunst im öffentlichen Raum um den gegenwartsrelevanten Begriff der Nationalität erweitern. Neben Strategien der politischen Aufladung mittels lokaler Verknüpfung über Formrezeption, Materialwahl, Materialbehandlung und Spolienverwendung soll nach weiteren Mechanismen der Identitätskonstruktion gefragt werden. Anknüpfend an die Theorie zur medialen Konstruktion von Images nach Merten/Westerbarkey (1994) wird die nationale Identität als fiktionale, dynamische Struktur zur Erzeugung von kollektiven Wissensbeständen und kulturellen Perspektiven verstanden, die jenseits von Erfahrbarkeit auf Objekte appliziert werden kann.
Willkommen sind Fallstudien und methodische Reflexionen, die sich realisierten Bauten/ Projekten aber auch Wettbewerben und virtuellen Projekten sowie architekturtheoretischen Positionen widmen.
Mögliche Themenfelder und Fragestellungen sind:
– Kunstwerke und Gestaltungstechniken als Über-Träger/ Applikatoren nationaler Identität
– Potenziale städtebaulicher Großprojekte zur Generierung und Vermittlung nationaler Identität
– Events/Ephemere Inszenierung von Architektur als Strategie nationaler und lokaler Besetzung
– Film und Massenmedien als Mediatoren nationaler Kontextualisierung national- bzw. lokalspezifische Wettbewerbsausschreibungen/ – strategien und deren Einfluss auf den Entwurfsprozess internationaler Architekturbüros
Die Vorträge sollten 20 Minuten nicht überschreiten. Bitte senden Sie Ihre Themenvorschläge (max. 1800 Zeichen mit einem Kurzlebenslauf) in deutscher, englischer oder italienischer Sprache bis zum 22. September 2015 an die beiden folgenden Emailadressen:
marion.hilliges@phil.uni-goettingen.de
morlangschardon@biblhertz.it

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